In knapp drei Wochen startet Baden-Württemberg in die lang ersehnten Sommerferien. Und wieder steht ihr, wie viele andere Eltern auch, vor der  wiederkehrenden Frage: “Soll mein Kind auch in den Ferien lernen und für die Schule üben?”. Um es gleich vorweg zu nehmen, darauf kann es keine allgemeingültige Antwort für alle Kinder geben. So individuell jeder einzelne Schüler in seinem Lernen ist, so individuell müssen auch die Empfehlungen sein.

Dennoch möchte ich euch mit meinem Artikel ein paar Denkanstöße geben.

In den Ferien Lernen – so äußert sich die Tagespresse

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und die Onlineausgaben der Tagespresse zu diesem Thema durchforstet. Dabei ist mir zunächst einmal die eher skeptische Grundhaltung einiger Autoren ins Auge gesprungen. So titelte die WELT beispieleise: Lernen in den Ferien – Deutschland verfällt dem Bildungswahn. T-Online spricht sogar von einem Recht auf Ferienzeit für Schulkinder.

Doch was spricht eigentlich dagegen, in den Sommerferien ein bisschen zu üben?

Die gängigen Argumente dagegen sind wohl:

  • Kinder müssen sich auch mal von der Schule erholen.
  • Mein Kind soll Zeit zum Spielen mit seinen Freunden haben.
  • Auch Kinder müssen mal abschalten.
  • Ich möchte mein Kind nicht mit ständigem Üben die Ferien “vermiesen”.
  • Bei uns gibt es schon während der Schulzeit genug Stress ums Lernen, da sollen wenigstens die Ferien unbeschwert bleiben.

Im Gegensatz hierzu findet man jedoch nicht wenige Schulen, die extra freiweilliges Lernmaterial für die Ferien mitgeben. Auch Buchhandlungen werben mit speziellem Übungsmaterial und verschiedene Anbieter locken mit Ferien-Intensiv-Kursen. Bereits 2016 hat Deutschlandfunk Kultur auf eine Forsa-Umfage verwiesen, laut welcher 59 Prozent der Schüler in den Ferien lernen.

Es scheint auch gute Gründe zu geben, die Sommerferien zum Lernen zu nutzen

  • In den Ferien hat das Kind deutlich mehr Zeit, als während der regulären Unterrichtszeit.
  • Kinder können sich in den Ferien meist besser konzentrieren als nach einem langen Schultag.
  • Da in den Ferien keine neuen Lerninhalte hinzu kommen, können Themen aufgearbeitet werden, für die parallel zum Unterricht keine Zeit bleibt.
  • Indem man sich auf einen kleinen Übungsbereich konzentriert, können Kinder in diesem Bereich schnell ihre eigenen Fortschritte sehen.
  • Ohne den Druck der nächsten Arbeit im Nacken, können Kinder ganz spielerisch üben.
  • Übung in den Sommerferien kann den Start in die nächste Klasse erleichtern.

Habt ihr eigentlich einmal eure eigenen Überlegungen zu diesem Thema hinterfragt? Weshalb denkt ihr überhaupt darüber nach, dass euer Kind auch in den Ferien üben sollte? Die Gründe dafür können ja sehr unterschiedlich sein.

  • Die Zeugnisnoten waren nicht wirklich gut.
  • Euer Kind hat im vergangenen Schuljahr einige Lerninhalte verpasst oder nicht richtig verstanden.
  • Ihr seht die erfolgreiche Schullaufbahn eures Kindes gefährdet.
  • Eurem Kind fällt das Lernen generell eher schwer, außerdem vergisst es das Gelernte schnell wieder.
  • Die Leistungen eures Kindes sind ganz ordentlich, aber ihr möchtet einfach, dass das auch weiterhin so bleibt.
  • Ich seht, wieviel die anderen Eltern mit ihren Kindern üben und habt ein schlechtes Gewissen.
  • Die Schule erwartet, dass euer Kind in den Ferien verschiedene Aufgaben erledigt.

Was mich persönlich während meiner Recherche am meisten ins Grübeln brachte:

Warum ist Lernen eigentlich in diesem Maße negativ behaftet,

dass es zwangsläufig schlimm und anstrengend sein muss? Wenn selbst Pädagogen dagegen halten und Lernen in den Ferien nur in besonders dringenden Fällen empfehlen, dann stellt sich mir doch die Frage, welches Übel diejenigen Pädagogen im Lernen und in der Wissensvermittlung sehen, das sie ihren Schülern täglich zumuten.

Ich vertrete die grundsätzliche Auffassung, dass Kinder ganz allgemein großes Interesse an ihrer Umwelt zeigen. Ständig möchten sie Neues erfahren, erleben und ausprobieren. Es scheint völlig in Vergessenheit geraten zu sein, dass Lernen viel, viel mehr bedeutet, als Aufgabenblätter oder Übungsheftchen abzuarbeiten. In erster Linie sollte es doch darum gehen, die Welt zu erforschen und neu zu verstehen. Dazu sind grundlegende sprachliche, mathematische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten notwendig. Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang hilfreich, den Blickwinkel zu verändern – Weg von ” Was und wieviel muss mein Kind in den Ferien lernen?” hinzu “Wie können die Interessen meines Kindes zum Lernen genutzt werden?”

Aus meiner praktischen Arbeit erfahre ich nahezu täglich: Wenn Kinder Lösungswege suchen und mit Veranschauungsmaterial arbeiten dürfen, wenn sie Lerninhalte verstehen und eigenständig durchdringen, wenn sie spannende Geschichten lesen oder lustige Reime aufschreiben, dann wollen sie gar nicht mehr so schnell mit dem Lernen aufhören…

und in sechseinhalb Ferienwochen sollte, by the way, eurem Kind dennoch genug Zeit bleiben, um sich mit Freunden am Badesee zu treffen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch schöne Ferien.

Eure Jessica

P.S: Falls ihr mehr über mich erfahren wollt, schaut gerne hier vorbei.